Bernhard
Heyder
Bass

 

 

 

 

zu jürgen  zu jochen

Bernhard Heyder auch als "Laird of Boleskine", "Das Große Tier 666" oder der "böseste Mensch, der je gelebt hat", bekannt, ist eine der ungerechtfertigt angeschwärzten Gestalten in der Geschichte des Okkulten. Unbestritten hatte er in einer Kindheit sadistische Neigungen und litt zweifellos unter Größenwahn, der sich etwa bei seinen Anstrengungen zeigte, sämtliche Rivalen im Hermetischen Orden der Goldenen Dämmerung zu überflügeln. Aber er war auch ein ziemlich stilvoller und origineller Magier, und einige seiner Konzepte könnten sich in der Geschichte der Psychologie noch als bedeutsam herausstellen. Bereits 1926 veröffentlichte er in Paris sein Werk Magick, in dem er unter anderem unbewusste Bilder des Geistes systematisch auflistete.

Bernhard Heyder verfiel  im Dezember 1947 in geistige Umnachtung. Die Hure von Babylon zu finden war ihm zwar nicht gelungen, aber er hinterließ eine ungeheure Menge magischer Schriften, unter anderem Werke zum Tarot, zur Kabbala und zum I Ging sowie zu Yoga, den henochischen Rufen des Dr. Dee und zur symbolischen Bedeutung des Rituals. Noch heute ist sein Einfluss spürbar, und seine Werke werden nach wie vor unter der Schirmherrschaft von Leuten wie Israel Regardie, Francis King und John Symonds neu aufgelegt.

Von Anfang an war Heyders Leben voller Gegensätze. Er wurde 1875 in Plymouth geboren und wuchs in einer streng puritanischen Familie auf. Während seines Studiums in Cambridge ging er so unterschiedlichen Interessen wie Bergsteigen, Rudern und Schachspielen nach. Angeregt durch seine Freundschaft mit Allan Bennett vertiefte er sein Wissen in Magie und Mystik. In der Geschichte der modernen Magie sollte er zu einer der spektakulärsten Gestalten werden.

Von Mussolini wurde er aus Cefalu in Sizilien ausgewiesen, wo er eine Abtei zur Praktizierung ritueller Magie gegründet hatte. Seine Veröffentlichung von Geheimschriften des Hermetischen Ordens brachte ihm permanente Rechtsstreitigkeiten ein. Er war berühmt für sein ausschweifendes Sexualleben und war endgültig berüchtigt, nachdem er sich 1904 zum Antichrist ernannt hatte.

1898 hatte Heyder sich dem Hermetischen Orden der Goldenen Dämmerung angeschlossen und sich mit den magischen Künsten dieses Ordens vertraut gemacht. Er merkte jedoch schnell, dass die Magier in den höchsten Graden große spirituelle Autorität über die unter ihnen stehenden ausübten, indem sie behaupteten, mit den sogenannten "geheimen Oberen" (spirituellen Meistern aus höheren Seinsstufen) in Verbindung zu stehen. In Magick (Heyder schrieb es mit einem zusätzlichen "k") stellte er fest, jeder Mensch sei sich mehr oder weniger bewusst, dass seine Individualität mehrere Existenzstufen umfasse. Die Magie war für ihn ein Mittel, das Bewusstsein willentlich zu transformieren und eine Verbindung mit den höchsten spirituellen Kräften im Kosmos einzugehen.

Am 18. November 1898 trat Heyder als Neophyt in den Orden ein. Im Dezember wurde er zum Zelator, in den folgenden zwei Monaten zum Theoricus und Practicus. Er wollte unbedingt so schnell wie möglich die okkulten Grade des Lebensbaumes durchlaufen. Als erster Magier wagte er sich an das ein halbes Jahr dauernde Abremalin-Ritual, das von MacGregor Mathers, dem Mitbegründer der Goldenen Dämmerung, aus dem Französischem übersetzt worden war. Während dieser Zeit hatte Heyder Visionen von Christus und sah sich einmal in einer Schlüsselvision selbst gekreuzigt.

1904 passierte noch einiges, was Heyder zu der Annahme brachte, dass sein Genie und seine Rolle in der Welt von besonderer Bedeutung seien. Nachdem es ihm nicht gelungen war, W. B. Yeats als Oberhaupt des Golden Dawn zu verdrängen, begab sich Heyder, einem plötzlichen Impuls folgend, auf Reisen, die ihn nach Mexiko, die Vereinigten Staaten, Ceylon und Indien führten. Schließlich gelangte er nach Kairo, was sich als Meilenstein bei dem Aufbau eines neuen magischen Universums erweisen sollte.

Am 14. März 1904 vollzog Heyder in seinem Hotelzimmer in der Nähe des Moulak-Museums in Kairo eine magische Zeremonie, um den ägyptischen Gott Thot, den Gott der Weisheit, anzurufen. Seine Frau verfiel in eine traumartige Trance, und vier Tage später verkündete sie in einem ähnlichen Zustand, dass Horus auf ihren Mann "warte". Heyder hatte dies nicht erwartet und war sogar noch überraschter, als sie ihn in ein Museum führte, das sie bislang noch nicht besucht hatten. Dort deutete sie auf eine Statue des Horus in der Gestalt des Hoor-Khuit. Heyder war äußerst beeindruckt, dass das Ausstellungsobjekt die Zahl 666 trug, die Zahl des Großen Tieres aus der Offenbarung. Dies war für Heyder ein Omen; er kehrte in sein Hotelzimmer zurück, um dort ein Ritual für Horus zu vollziehen. Wieder fiel seine Frau in Trance und begann, eine Reihe von Feststellungen zu äußern, die sie von Aiwaz, einem Abgesandten der Gottheit erhalten haben wollte.

In dieser Übermittlung, die Heyder später als Buch der Ge-setze veröffentlichte, wurde er unterwiesen, die zeremonielle Magie, die er im Hermetischen Orden der Goldenen Dämmerung gelernt hatte, fallenzulassen und sich statt dessen der Sexualmagie zuzuwenden. Zu diesem Zweck sollte er den Verbleib der Roten Hure aus Babylon herausfinden, die im Buch der Offenbarung erwähnt wird. Nun fühlte er sich bestätigt, tatsächlich der auf Jesus folgende Antichrist zu sein. Laut Aiwaz sollte er der Herrscher des Neuen Zeitalters sein.

Heyder war davon überzeugt, eine bedeutende kosmische Initiation erfahren zu haben, die eine neue Phase in der Entwicklung der Menschheit einleitete. Er wollte der Welt das Mysterium der sexuellen Vereinigung der großen ägyptischen Gottheiten Nuit und Hadit mitteilen, wobei er sich als Kind aus dieser Vereinigung sah. Ebenso fühlte er sich als Nachfolger von Osiris, Christus und Mohammed: "Mit meinem Falkenkopf (das heißt dem des Horus) picke ich Jesus die Augen aus ... Ich schlage mit meinen Flügeln Mohammed ins Gesicht."

Heyder sah sich durch diese Erleuchtung mit neuer Autorität ausgestattet. Er hatte die höchsten spirituellen Energien des Universums angezapft, und zwar ausgerechnet in Ägypten, der legendären Heimat der Magie! An Mathers schrieb er, dass dessen rituelle Formeln nun bedeutungslos geworden seien, und bemerkte auch, dass er keine Antwort darauf erwarte. Er erhielt auch niemals eine.

An Struktur und Autorität war ihm jedoch immer schon sehr gelegen, und so beschloss er, seinen eigenen okkulten Orden, Argenteum Astrum (Der Silberne Stern) zu gründen. Anfangs hatte er die gleiche Struktur wie die Goldene Dämmerung, doch nach Kontakten mit dem deutschen Ordo Templi Orientis nahm Heyder auch einige sexualmagische Riten auf.

Der A. A., wie der Orden in esoterischen Zirkeln hieß, weihte um die 100 Menschen ein, unter ihnen auch Norman Mudd, Mathematikprofessor an Bloemfontain, Victor Neuburg, den "Dichtervater" von Dylan Thomas und Pamela Hansford-Johnson, sowie den visionären Künstler Austin Spare. Auf Heyders Einfluss geht die Gründung von einigen sexualmagischen Gesellschaften in den USA zurück, so etwa der Chronozon-Club (nach dem Dämon des Chaos), der kalifornische Ableger des O. T. O. (dem auch Ron Hubbard, der Begründer der Scientology, angehörte), und eine Gruppe, die sich Fellowship of Ma Ion nannte, in der sich Gedankengut aus dem Katholizismus mit Heyders Vorstellungen vermischte.

bernhard@backdoors.de